Der zerbrochene Stein

Der zerbrochene Stein .... 

oder ..... 

bis es nicht mehr ging


Eine Zusammenfassung



Ein allgemeiner Beschrieb


Die Welt dreht sich nun langsamer, das Denken fühlt sich an, wie wenn es durch gut signalisierte samtig weiche Wege führt. Jegliche Denkabzweigung auf der „negativ“ steht wird durch die Medikamente ausgeblendet. Eigentlich, so kommt es einem vor, ist alles wieder auf bestem Wege, gut zu werden. Alles ist wieder auf Kurs.
Und tatsächlich: Ich kann wieder ruhig und ausgiebig schlafen und ich habe wieder Appetit, nach dem ich innert kürzester Zeit 12 kg abgenommen habe. Für mich ist das wichtig und für die Gesundheit förderlich – zumindest für die körperliche. Denn ohne körperliche Gesundheit, kann auch der Geist, die Seele nicht heilen. Und natürlich umgekehrt. Deshalb habe ich mir zum Ziel gesetzt, ganz intensiv auf mein Inneres zu hören. Wenn ich nicht mag, mag ich nicht. Wenn mich die Trauer überfällt, traurig zu sein. Wenn ich mich an der Natur erfreue – glücklich zu sein. Und wenn ich mich bei Daniela an der Seite wohl fühle – die Momente zu geniessen und später davon zu zehren.

Müsste ich mich jetzt beschreiben, dann bin ich ein zerbrochener Stein.

In der Kunsttherapie des Psychiatrischen Zentrums in Herisau durfte ich mir frei auslesen, was ich machen wollte. Malen, töpfern, flechten … es standen zahlreiche Dinge zur Auswahl. Da entdeckte ich in einer Ecke in einem Regal die Specksteine und das interessierte mich. Der grauweisse Stein lag vor mir auf dem Tisch – die Werkzeuge daneben. Und ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich aus dem Stein machen wollte.
Das schlussendliche Resultat nach mehreren Stunden Bearbeitung entsprach dann erstaunlicherweise ganz meinem inneren Gefühl. Der Stein war zersägt – jedoch mit 3 Metallstiften etwas verschoben dennoch miteinander verbunden. Die Symbole, die ich auf der Oberfläche des Steins angebracht habe, zeigen meine 3 Kinder. Zwei andere Symbole stehen für meine Frau, und mich. Durch einen Kanal sind diese miteinander verbunden. Auch über die Ecke, wenn man sich nicht sehen kann, besteht diese Verbindung.


Der Bruch des Steins symbolisiert sehr eindrücklich meine innere Verfassung.

Ich bin zerbrochen, auseinandergefallen und doch verbunden.

Es ist das Gefühl, als ob ein Stück von einem sich verselbständigt. Sich einfach weigert, all das weiterhin mitzumachen, was man sich vorher – oft unbewusst – angetan hat.

Die offizielle Bezeichnung für den Zustand ist Erschöpfungs-Depression. Begleitet von Angstzuständen, Enge in der Brust, Herzrasen, Appetitlosigkeit, grosser Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Zukunftsangst. Und wie in meinem Fall – die Dominanz der Farbe Schwarz. Man hat weder eine Perspektive noch sieht man irgendwo am Ende des Tunnels ein Licht. Alles ist schwarz, negativ, aussichtslos.

Es ist das Gefühl, als ob man an einen Verkehrsunfall läuft und feststellt, dass im Unfallwagen die ganze Familie sass und alle sind tot. Der Boden entgleitet einem unter den Füssen und jeglicher Versuch, sich selber aus dieser Situation zu retten misslingt. So habe ich mich am 23. Juli 2012 gefühlt, als ich in der Küche am Boden sass und nur noch weinte. Ich konnte nicht mehr aufhören und der dunkle Schmerz in mir war unerträglich geworden. Instinktiv merkte ich, dass etwas Grundlegendes mit mir nicht mehr stimmte, dass ich Hilfe brauchte und ins Spital oder in die Klinik musste. Die Situation war zu zweit nicht mehr zu meistern und alleine schon gar nicht. Und ich wollte Daniela eine weitere Verschlechterung des Zustandes nicht zumuten.


Vorgeschichte

Rückblickend hat mein Leben viele Kurven, Wendungen und auch einige sehr einschneidende Veränderungen mitgemacht. Man könnte meinen: Die normalen kleinen Lebensdesaster halt. Doch es gab auch gröbere Sachen wie die Scheidung vor 13 Jahren. Da fängt man quasi nochmals bei Null an - das Schlimmste für mich war jedoch die Trennung von den Kindern. Zum Glück blieb der Kontakt zur Exfrau immerhin recht gut und somit auch der zu den Kindern.
Kurz nach der Scheidung lernte ich meine jetzige Ehefrau kennen, die ich noch immer sehr tief liebe. Ich machte mich selbständig und im 2004 heirateten wir. Kurz darauf zogen wir in ein Häuschen im Grünen mit viel Garten. Es war ein idyllischer Ort, der aber verwahrlost war. Nach dem Umbau im 2005 werkelten wir fast 5 Jahre lang am Garten und nun ist es eine Oase geworden.

Meine Frau kämpfte mit Unterleibsschmerzen und musste zur Untersuchung. Ich weiss es noch, als wäre es gestern gewesen: Ich sass im Spitalkaffee und wartete. Es war ein sonniger, milder Tag. Dann sah ich sie durch die Türe kommen ... und am Tisch angelangt liefen grosse Tränen über ihr Gesicht. Ich war wie versteinert, konnte das irgendwie gar nicht fassen. Myome, Endometriose. Und die Myome mussten entfernt werden. Es würden den Rahmen hier sprengen, alles aufzuschreiben. Auf jeden Fall kämpfte meine Frau dann jahrelang mit Folgeschmerzen im Unterleib. Ich stand oft daneben und konnte nichts tun.
 
Die Firmen kamen seit dem Umzug langsam in Fahrt und meine Frau begann trotz der Schmerzen mitzuhelfen. Es machte grosse Freude zu sehen, wie alles wuchs. Doch dann folgten grosse Probleme mit einem externen Mitarbeiter. Ich musste die daraus entstandenen Verzögerungen der Projekte gegenüber den Einzelkunden und auch gegenüber grossen Projektkunden ausbaden und den Kopf hinhalten. Es mussten neue Lösungen gesucht werden und das kostete unglaublich viel Energie.

Es folgte bei mir, was folgen musste: Verdacht auf Blasentumor - und das hat mich dann sehr beunruhigt. Zum Glück erwiesen sich die Untersuchungen als negativ.

Mit viel Herzblut, Engagement und einem grossen Zeitaufwand konnte die vom externen Programmierer geschriebene Software abgelöst werden. Eine Herkulesarbeit, aber ich kriegte es zusammen mit meiner Frau hin. Es folgten grössere Projekte für öffentliche Ämter, für kantonale Stellen usw. Die Firmen liefen auf Hochtouren und ein neuer externer Mitarbeiter kam dazu. Er baute Anlagen zusammen und war auch bestens ausgerüstet für Installationen vor Ort.


Erste Anzeichen

Im Winter 2011/2012 hatte ich dann erstmals Probleme mit Angstzuständen. Und zwar immer, wenn Stürme angesagt waren. Ich sah dann in den verfügbaren Computerberechnungen jeweils Tage voraus, was sich anbahnte und sah in Gedanken, in meiner Vorstellung unser Haus schon zerstört. Das ging so weit, dass ich die Büros in den sicheren Keller räumte und wir am Tag des Sturms in ein Hotel gingen. Ich bekam Angstzustände, Brechanfälle, Druck auf Brust und Herz sowie ein Bauchgefühl, das kaum zu beschreiben ist. Und genau in diesem Winter gab es 4 (vier!) Stürme. Dass etwas nicht stimmte, merkte ich bereits damals, denn früher haben mich Stürme regelrecht fasziniert. Ich ging zu Gesprächstherapien, wo ich wertvolle Tips erhielt. Dann kam aber der Frühling und ich wusste: Winterstürme sind nun passée und es folgt die schöne Sommerphase. Es ging mir wieder gut.

Da wir hier nicht ausbauen durften, haben wir einen neuen Standort gesucht und bauen nun dort ein grösseres Haus mit mehr Fläche. Somit ist die "Sturmangst-Problematik" damit sowieso gelöst. Ich wähnte mich in Sicherheit und freute mich auf unseren neuen Standort und einen weiteren Neubeginn in meinem und im gemeinsamen Leben mit meiner lieben Frau.

Doch dann begann sich leider weiteres Unheil abzuzeichnen.


Die Auslöser

Bei meiner Frau wurde Verdacht auf Krebs diagnostiziert. Sie musste sich im Spital einer Operation unterziehen, wo aber zum Glück alles entfernt werden konnte. Eine schwere Zeit für mich - ich erkannte sie nur damals nicht so.
Zur gleichen Zeit nahm sich unser Nachbar das Leben. Er stürzte sich von einer Brücke. Das belastete mich zusätzlich, und das merkte ich schon damals. Ich fragte mich immer wieder, warum ich nicht helfen konnte, warum es so weit kommen musste
Und zu guter letzt wurde meinem Sohn im Ausgang das Gesicht zerschnitten - man vermutete lange, dass das Auge bleibenden Schaden nehmen könnte.

Es gab auch vorher weitere Einschnitte in meinem Leben. Da war der Tod meines Bruders: Herzinfarkt. Dann der Tod meiner Mutter nach langer Demenzzeit. Der Hirnschlag eines Studienkollegen, welcher mich damals sehr beschäftigte.

Das waren die emotionalen Dinge, die ich einfach nicht richtig löste. Ich trauerte nicht richtig. Frass alles in mich hinein.

Körperlich begann das Desaster bereits Anfang 2012. Nur merkte ich es auch bei diesem Thema nicht. Ich konnte immer weniger durchschlafen. Oft erwachte ich auch schon um 3 Uhr oder 4 Uhr und war dann hellwach, weil ich an Projekten rumdachte. Meist stand ich dann auf, beantwortete Mails oder plante Abläufe, machte Offerten und andere administrative Dinge.
Dann begann sich abzuzeichnen, dass Projekte, die eigentlich im Frühling geplant waren, sich langsam aber sicher auf den Herbst verschoben. Genau in die Zeit, wo wir zügeln wollten. Das wussten aber die Kunden seit dem Januar. Es kam, wie es kommen musste: Quasi alle Projekte verschoben sich auf den Herbst und ich musste wieder mal organisieren, umplanen, schieben und so weiter.


Und dann einer der letzten Informatik-Tiefschläge

In die selbe Zeit fiel eine Informatik- und Datenbankumstellung


Ein Gerät mit einer wichtigen Datenbank musste von meinem Büro in ein Rechenzentrum gezügelt werden. Das kann man sich so vorstellen, dass man effektiv mit einem Gerät im Auto nach Zürich fährt (das Gerät an einem Notstromteil) und es dann dort in einem Serverrack montiert. Selbstverständlich hinter Firewalls, die man vorher schon konfiguriert hat usw. Ein heikles Unterfangen. Vor allem weil da hintendran Kunden weiterhin Daten wollen und nur kurze Unterbrüche toleriert sind.

Alles hat sauber geklappt, die Datenbank verhielt sich so, wie geplant und meine Testanlage in Schwellbrunn meldete sich kurze Zeit später in Zürich an. Ich hatte grosse Freude, dass alles klappte. Was ich aber nicht wusste: Meine Anlage in Schwellbrunn hatte ich so konfiguriert, wie ich immer schon geplant hatte – die 11 Anlagen an weit entfernten Standorten aber hatte ich so konfiguriert, wie es mir der Hersteller empfohlen hat.

Und diese meldeten sich nicht an….

Ich musste an einem Freitagvormittag innerhalb weniger Stunden entscheiden, wie ich dieses Riesenproblem lösen wollte und es blieb mir nichts anderes übrig, als mich auf den Weg zu machen. Jede Station abfahren, mit dem PC die Konfiguration ändern und dies an einem Freitag mit Riesenverkehr und zu alledem schiffte es bei den letzten 3 Stationen aus allen Kübeln. Nach 13 Stunden und 600km war ich gegen Mitternacht wieder zuhause. Zeit und Kilometer, die einem niemand bezahlt. Aber das wäre verkraftbar gewesen. „Verjagt“ hat es mich fast, weil ich etwas ausbaden musste, für das ich nichts konnte. Und es ist nicht das erste Mal.

Das gab mir wohl den Rest. Das berühmte Tüpfelchen auf dem „i“.

Ich konnte kaum mehr richtig schlafen. Immer wieder Temesta. Und dennoch musste die Arbeit gemacht sein. Ich schleppte mich durch – im wahrsten Sinne des Wortes. Wurde immer müder und müder. Legte mich immer mal wieder hin. Der Appetit sank auf einen Nullpunkt und ich hatte bis zum Wochenende vom 22. Juli innert kürzester Zeit 12 kg abgenommen.


Der Zusammenbruch

An diesem besagten Wochenende vom 22. Juli. mochte ich nicht Rasen mähen und auch sonst nichts mehr machen. Am Sonntag hing ich mehr oder weniger nur rum und hatte wieder „Müdigkeitsanfälle“. Eigentlich wollte ich am Montagabend ins Wallis fahren, weil ich dort eine Installation für einen Kunden geplant hatte….aber es kam komplett anders.

Am Montag kam ich kaum aus dem Bett, hatte wieder überhaupt keinen Appetit, Ich musste immer wieder weinen (einfach so) und hatte Brechanfälle und ich merkte, dass irgend etwas nicht stimmte mit mir. Deshalb machte ich mir noch viel mehr Sorgen und ich dachte mir aus, wie das weitergeht: Krankheit, Firma geht den Bach runter. Man verliert das Haus usw. Grosse Existenzängste plagten mich. Ich sah immer alles schwärzer. Nichts hat mich mehr aufgehellt. Grosse Angstgefühle plagten mich. Meine Frau hat alles versucht, sie konnte mich mit nichts mehr aus diesem Zustand bringen.

Am Schluss kauerte ich auf dem Küchenboden und wollte nur noch eines: Ins Spital / die Klinik. Vor allem weil ich nicht wusste, was ich hatte. Und das machte mir grosse Angst. Meine Frau brachte mich auf mein Bitten hin in die Klinik … erst vor kurzem hat sie mir erzählt, was da an diesem Sonntag und Montag eigentlich alles ablief, weil ich es nicht mehr wusste. Es war ein schwarzer Tag.

Mein Körper und meine Seele sagten einfach: Stopp, so nicht mehr!

Ich fühlte mich dort in der Klinik aufgehoben, weil ich ärztliche Betreuung hatte. Ja, und da war ich dann eine Woche lang. Die Diagnose lautete „Erschöpfungs-Depression“. Ich war in einer Wohngruppe und es gab Gespräche, Therapien aber auch viel Zeit zum Nachdenken.

Die dicken Mauern gaben mir Sicherheit. Niemand wollte mehr etwas von mir.

Keine Kunden
Keine Projekte
Keine Pendenzen
Keine Informatik
Keine Lieferanten

Nichts.

Nur die Trennung zu meiner Frau machte mir zu schaffen - und das Wissen, dass alles an ihr hängt.



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